Mit Ben Nevis ist es eine seltsame Geschichte. Lange Zeit habe ich die Brennerei völlig übersehen und im Grunde nicht als ernstzunehmenden Single Malt auf dem Schirm gehabt. Nun finde ich dank einiger freier Tage wieder einmal meinen Weg in den Westen der mich wie so oft durch Fort William führt. So kann ich diesmal endlich die Gelegenheit für einen Besuch bei Ben Nevis nutzen, um mir einen Eindruck aus nächster Nähe zu verschaffen. Was weiß ich von der Brennerei auf Grund meiner Buchrecherchen*? Seit 1989 gehört die Brennerei dem japanischen Unternehmen Nikka. Der zweitgrößte (und wichtigste) japanische Whisky-Produzent wurde vom Vater des japanischen Whiskys Masataka Taketsuru gegründet. Nikka ist für mich nach wie vor der Sieger im Preis-Leistungs-Kampf der japanischen Whisky-Marken (siehe Nikka Coffey Malt, Nikka from the barrel und die Single Malts von Miyagikyo). Ein großer Teil (rund 50%) des Rohbrands der Brennerei wandern angeblich nach Japan, um dort in den Blend „Nikka Black“ Verwendung zu finden.
Die Brennerei präsentiert sich wie ein Relikt vergangener Tage, die schmutzigen Industriegebäude wirken lieblos und wenig umsorgt. Es drängt sich mir das Bild einer alten Ostblock-Tankstelle auf. Fast erwarte ich einen Trabbi auf dem Parkplatz. Schade, liegt sie doch direkt am Fusse des gleichnamigen Berges Ben Nevis in einer spektakulären Highland-Landschaft. Seitdem das Visitor Center 1991 eröffnet wurde, scheint sich nicht mehr viel getan zu haben. Die Tour Auswahl ist übersichtlich. Eine 5 Pfund Tour bei der man einen Blended Scotch probiert und eine Tasting Tour die den selben (jungen) Blended Scotch, einen 12 Jahre alten „Deluxe Blend“, den 10 Jahre alten hauseigenen Single Malt und einen ungewöhnlichen Blended/ Vatted Malt namens Glen Coe beinhaltet. Ich bin wegen dem Single Malt hier. Die Tasting Tour klingt nicht wirklich vielversprechend und erweckt irgendwie den Eindruck von Touristenfalle. Aber ein echter Malt Mariner lässt sich nicht so leicht entmutigen und schließlich sind wir ja nicht zum Spaß hier (haha!) ;). Ohne den Single Malt im Glas (bzw. in der Sampleflasche) werde ich jedenfalls nicht von dannen ziehen! Die Tour beginnt mit einem Video im 90er Style passend zur Fassade der Gebäude. Hier wird ausführlich in Theater-Manier das Entstehen der Highlands erläutert (aus der Sicht des Klischee Highlanders Hector McDram), eine Mischung aus Fremdschämen und Amüsement. Wer sich traut, kann das Video auf der Website anschauen ;). Irgendwie alles niedlich und verschroben, typisch Schottland. Ich amüsiere mich prächtig.
Mein Tour Guide Tom, arbeitet ebenfalls als Mash Man in der Brennerei und kann mir einige interessante Dinge von Seiten der Produktion erzählen. Nun muss ich an dieser Stelle einen kleinen Exkurs machen. Die schottische Whisky-Industrie ist ein äußerst herzlicher Haufen und irgendwie wie eine große Familie. Das bedeutet im Grunde, dass man als Brennerei-Mitarbeiter (was zum Entstehungszeitpunkt dieses Artikels noch auf mich zutrifft) meist in allen anderen Brennereien, gewisse Vorzüge genießt. Soweit man sich als solcher zu erkennen gibt versteht sich. Das ist natürlich herrlich für mich, macht es aber schwer einen objektiven Blick auf die Touren zu werfen. Da es nur ich und Tom auf der Tour sind, erläutert er mir geduldig alle Liter und Temperaturangaben. Die Tour selbst führt durch das Mashhouse, das Tun Room (Washbacks und Fermentation) und das Still House. Ein Lagerhausbesuch ist leider nicht drin. Fotos sind auf der Tour soweit ich das beurteilen kann durchgehend erlaubt. Als Entschädigung für die verschlossenen Lagerhäuser, sieht man aber eine Menge Fässer außerhalb der Lager herumstehen und liegen. Besonders spannend sind für mich die weißen Weinfässer… Tom lässt mich schnuppern… Das Aroma das mir entgegenschlägt ist betörend!
Zurück im Besucherzentrum, das neben der Bar auch ein geräumiges Cafe beherbergt, widmen wir uns dem Tasting (ich trinke selten vor Ort, die Tasting Notes wurden nachträglich ergänzt): Der Blended Scotch ist in meinen Augen zu vernachlässigen, der 10 Jahre alte Ben Nevis Single Malt verspricht in der Nase nicht viel, entfaltet auf der Zunge aber ungeahnte Größe. Er dehnt sich im wahrsten Sinne mit einer Vielfalt an Gewürz- und Heidearomen aus, bis er im Abgang mit einem Knall verschwindet und eine leichte Rauchnote hinterlässt. Eine sehr positive Überraschung! Ich bin wirklich angetan.
Das gleiche gilt für den 8 Jahre jungen Vatted (/Blended) Malt. Das Etikett schreit Touristen-Whisky, wenig Angaben zum Inhalt, viel Glen Coe Historiengedöns. Lediglich der Alkoholgehalt macht mich stutzig: 58 % Vol. Holla die Waldfee! Der Blend entpuppt sich als eine gelungene Heirat aus den beiden Highland Malts Deanston und Ben Nevis. Die dritte Brennerei bleibt ein Geheimnis, müsste aber Oban oder Loch Lomond sein, wenn Toms Aussage über das „Highland Dreieck“ der drei Brennereien Glauben zu schenken ist. Auf der Zunge sind deutlich die jungen Deanston Sherry Fässer zu spüren, was mich sehr anspricht. Die 58 Volumenprozente veranstalten einen Moshpit auf der Zunge. Nichts für zartbesaitete Gemüter. Für 29,50 Pfund hat der Blend einiges zu bieten und fällt damit für mich in die Kategorie „kleiner Geheimtip“ für Fassstärke-Freunde. Hoffe es gibt ihn auch in Deutschland zu kaufen. Eine Flasche wird ihren Weg in meine Bar finden.
Als absolutes Ausnahmetalent stellt sich die Sonderabfüllung, ein 12jähriges Single Cask ausschließlich im Port Fass gereift heraus. Der stolze Preis von 160 £ dämpft die Euphorie etwas die dieser Malt in meinem Mund hervorruft. Wer jemals die Chance zu einer Verkostung bekommt, sollte zugreifen! Selten habe ich etwas so Gutes und Ungewöhnliches im Glas gehabt.
Ich und Tom wechseln noch einige entspannte Worte und ich verabschiede mich für einen Kaffee bevor ich Ben Nevis verlasse. Ich gewinne den Eindruck, dass diese Brennerei ein viel größeres Potential hat, als es derzeit genutzt wird. Der 10jährige Single Malt hat viel zu bieten und auch der Vatt kann durchaus mehr als das naive Label verspricht. Warum augenscheinlich ein so großer Teil der Brennerei in billigem Blend verramscht wird, bleibt mir ein Rätsel und lässt mein Malt Mariners Herz bluten. Wie gern würde ich etwa eine 15jährige Standardabfüllung sehen oder ein Finish in den tollen Weinfässern. Lässt man sich hier von der touristischen Lage in Versuchung führen? Würde die Brennerei mit der Zeit gehen, würde sie problemlos in der Topliga mitspielen. Ich werde jedenfalls weiterhin ein Auge auf den Verein werfen und mich nach unabhängigen Abfüllungen umsehen. Der Stil der Brennerei gefällt mir als Highland- und Insel Fan jedenfalls hervorragend und lässt auf eine blühende Zukunft hoffen.
Fazit:
Ben Nevis wirkt wie eine Brennerei im Dornröschenschlaf. Der große Whisky Boom, der so viele Brennereien aufpoliert hat, scheint an ihr vorbeigegangen zu sein. Ob das traurig oder sympathisch wirkt, muss jeder selbst entscheiden. Der wenig verfügbare Single Malt lässt jedenfalls seine Brillanz aufblitzen und mich in Zukunft auf weitere Single Malts aus dem Hause Ben Nevis hoffen. Nikka: Sieh zu, sieh zu!
Slainte!
Euer Leon
Fakten (August 2016):
Eigentümer: Ben Nevis Distillery Ltd (Nikka, Asahi Breweries)
Gegründet: 1825
Kapazität: 2.000.000 Liter
Stills: 2 Wash Stills, 2 Spirit Stills
Adresse: Lochy Bridge, Fort William PH33 6TJ
Region: Highlands
Aussprache: Ben Nevis
Erreichbar: Mit dem Auto, Bus, Zug
Link: http://www.bennevisdistillery.com/
*Ronde, Ingvar (2015): Malt Whisky Year Book 2016; Shropshire: MagDig Media Limited, Seite 72 f.
Danke für diesen schönen Bericht. Unabhängige Abfüller haben immer mal wieder einen guten Ben Nevis dabei, es lohnt sich durchaus, danach Ausschau zu halten.