Wer Scotch Whisky liebt, wird früher oder später Schottland bereisen wollen. Wer auf torfigen Single Malt steht, der hat keine Wahl. Der muss nach Islay! Die Insel Islay ist und bleibt das Mekka für die „Peatheads“, die Liebhaber der schweren Raucher unter den Single Malts. Wer die Zeit hat, sollte in jedem Fall allen Brennereien einen Besuch abstatten und sich ein eigenes Bild machen.

Von den acht aktiven Brennereien auf Islay besitzen ALLE ein Besucherzentrum. Die neue und neunte Brennerei Ardnahoe wird bald ihre Türen öffnen und zwei weitere Brennereien sind in Planung. Wer nur wenige Tage auf der Insel verbringt, wird zwangsweise vor die Frage gestellt „Welche Brennereien besuche ich?“.
Caol Ila ist sicher nicht die attraktivste Brennerei auf der Insel. Sie liegt gemeinsam mit Bunnahabhain und der neuen Ardnahoe Distillery an der nördlichen Ost-Küste der Insel und blickt an klaren Tagen auf die „Paps of Jura“ auf der Nachbarinsel. Vom Fährhafen Port Askaig erreicht man die Brennerei mit dem Auto in 5 Minuten. Von einen Fußmarsch zur Destille würde ich, wenn möglich, abraten, da das Wandern auf den schmalen Single Track Roads Schottlands nicht ganz ungefährlich sein kann.

Weder die Gebäude noch die Rahmendaten machen große Versprechungen. Von außen wirkt die Brennerei industriell, was sie nun mal auch ist. Viele Schottlandreisende suchen eher nach „Hands on“, nach Tradition und authentischen Handwerks-Eindrücken und Erlebnissen. Ich rate hier mittlerweile zur Vorsicht. Nur weil eine Brennerei klein und „crafty“ ist, muss sie noch lange keinen hochwertigen Whisky produzieren. Gleiches gilt im Umkehrschluss für Großbrennereien wie Caol Ila. Der Single Malt muss nicht schlecht sein, nur weil die Brennerei ca. 5,5 Millionen Liter Alkohol pro Jahr produziert. Caol Ila stellt einen schwer rauchigen / torfigen Single Malt her, dessen Rauch die phenolischen „Beinah-Gummi-Aromen“ mit erloschenem Lagerfeuer und einer intensiven malzigen Süße paart. Für mich eine betörende Kombination, weshalb der 12 Jahre alte Standard der Brennerei für mich bis heute ein toller „Feierabend am Lagerfeuer“ Whisky ist.

Nichtsdestotrotz war ich leicht voreingenommen was die Destille angeht. Diageo der große Spirituosen Konzern hinter Caol Ila hat die Neigung seine Brennereien zu uniformieren, was nicht immer meinen Geschmack trifft. Dies zusammen genommen mit dem Wissen um die Größe der Brennerei, ließ mich mit gezügelter Erwartungen aber doch mit großer Freude auf die letzte unbesuchte Brennerei auf Islay das Visitor Center betreten. Das Besucherzentrum von Caol Ila ist das kleinste und spartanischste auf der Insel. Die meisten Brennereien haben sich gut auf die große Zahl der Touristen eingestellt und bieten ansehnliche Shops und im Falle von Kilchoman und Ardbeg sogar Cafes. Bei Coal Ila ist alles etwas karg und zweckdienlich. Ein paar Klamotten, ein Regal mit Whisky, zwei drei kleine Souvenirs und ein Besucherbuch.
Das stürmische Wetter und der Regen draußen ließen uns dennoch freudig in die Wärme hasten. Ich wurde herzlich von Nigel Brown (Brand Home Guide) begrüßt der mir, auf Grund des ruhigen Tages, eine Privatführung durch die Brennerei gab. Nigel ist ein hervorragender Tour Guide mit der perfekten Balance von Witz und schottischer Gelassenheit. Er war sehr aufgeschlossen und berichtete bereitwillig über alle interessanten Fakten zur Brennerei. Ich fand es äußerst sympathisch, dass er sich augenscheinlich über die Position der Brennerei sehr im Klaren ist und auch nicht versucht dem Kunden ein anderes Bild der Destille zu verkaufen. Sie ist eine Destille zur Massenproduktion auf hohem Niveau. Auch dass Nigel wirklich eine sehr persönliche Führung mit mir machte, hat mich sehr verbrüdert. Er verstand schnell, dass ich die Grundlagen beherrschte und ging eher auf nerdige Details und interessante Fakten ein. So erzählte er mir vom PPM Gehalt von 38 PPM im Malz oder der trüben Stammwürze aus der Mashtun die stolze 12,5 Tonnen Malz verarbeiten kann (Glendronach schafft weniger als 4!). Der getorfte „Wort“ (Stammwürze) wird 55 Stunden in den acht hölzernen Washbacks vergoren, die ungetorfte Würze hingegen 80 Stunden.

Leider dürfte ich, wie bei Diageo üblich, auf Grund der Sicherheitsvorschriften keine Fotos innerhalb der Brennerei machen. Nigel bot jedoch an, uns hinterher welche zu schicken, was ich sehr lieb finde. Das Tasting im benachbarten Gebäude war leider kein richtiges Lagerhaus, aus dem man den Angles’ Share riechen konnte, aber ein Raum mit altem Equipment und geschichtsträchtigem industriellen Destillerie-Charme. Überrascht hat mich vor allem der ungetorfte Caol Ila, der mir persönlich sehr gefallen hat. Eine 1A Führung, an der es von meiner Seite nichts auszusetzen gab!

Zurück im Shop schaffte es der Distillery Exclusive mich zu überzeugen, sodass er mit nach Deutschland reisen durfte. 90 £ für einen Whisky ohne Altersangabe ist schon happig, mittlerweile aber leider Standard in den meisten Brennereien. Betrachtet man alle Brennereien der Insel und ihr Angebot an exklusiven Abfüllungen, fällt auf, dass es zwei Fraktionen in diesem Bereich gibt. Eine mit Altersangabe (Bowmore, Bruichladdich, Kilchoman und Bunnahabhain) und eine ohne (Ardbeg, Laphroaig, Lagavulin und Caol Ila).
Dass also solche Cask Strength (Fassstärke) Highend und Sammler-Whiskys um die 100 £ heute ohne Alter angeboten werden, ist kein reines Thema von Diageo. Dennoch habe ich den Eindruck, dass Brennereien des Konzerns überdurchschnittlich häufig solche Distillery Exclusives ohne Alter abfüllen. Am deutlichsten stieß mir dies bei Oban auf, deren Distillery Exclusive mich überhaupt nicht überzeugen konnte. Auch Cragganmore, Glenkinchie (Stand 2017) und Talisker (Stand 2018) bieten NAS Distillery Exclusives an.

Die Feis Ile Abfüllungen für das legendäre jährlich stattfindende Islay Festival of Music and Malt von Caol Ila und Lagavulin trugen allerdings ein Alter. Versteht meine Gedanken daher bitte nicht als „Diageo-Bashing“. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass man beim Kauf von solchen Sonder-Abfüllungen auch einmal Vorsicht walten lassen sollte. In jedem Fall würde ich vorher um eine Kostprobe bitten, um mir einen eigenen Eindruck des Whiskys zu machen. Persönlicher Geschmack und Preis sollten zueinander passen!
Kommen wir abschließend zu meinem am häufigst zitierten Satz zurück: Am Ende muss jeder selbst für sich entscheiden, ob die gebotene Qualität den hohen Preis rechtfertigt. Ich jedenfalls lasse mittlerweile schon die ein oder andere Sonderabfüllung in den Brennereien liegen, wenn sie für mich nicht dem Preis entspricht. Die Distillery Exclusives und Feis Ile Abfüllungen von Caol Ila und Lagavulin haben es beide mit ins Gepäck geschafft, da wir es in unserem Fall 2018 mit hervorragenden Abfüllungen zu tun hatten!
Hier zur Übersicht einmal die Sonderabfüllungen von 2018 mit Preisangabe (soweit vorhanden):
Ardbeg: Distillery Exclusive Ardbeg Kildalton (NAS, Bourbon & Refill Sherry) – 120 £
Bowmore: Handfilled 19 Jahre (Sherry Cask) – 140 £, Distillery Exclusive: 17 Jahre (Bourbon, Sherry & Wine)
Bruichladdich: Handfilleds 10 Jahre (Port Charlotte, 2nd Fill Italian Wine Cask), 11 Jahre (Bruichladdich, PX Cask) – 75 £ für 50 cl, entspricht 105 £ für 70 cl.
Bunnahabhain: Handfilled 13 Jahre (Moine Marsala Finish) – 85 £
Caol Ila: Distillery Exclusive NAS (keine Angabe zu den Fässern) – 90 £, Feis Ile Bottling 2018 10 Jahre (Refill American Oak, Wiederaufbereitete europäische Eiche) – 100 £
Kilchoman: Shop Exclusive 5 Jahre (Red Wine, Single Cask) – 89 £
Laphroaig: Wenn ich mich recht entsinne gibt es hier keinen Distillery Exclusive, dafür die neusten Cairdeas Abfüllungen. Cairdeas Fino – 77 £
Lagavulin: Distillery Exclusive (NAS, keine Angabe zu den Fässern) – 100 £, Feis Ile Bottling 2018 18 Jahre – 130 £

Fazit: Caol Ila ist eindeutig das hässliche Entlein von Islay und wenngleich mir der Besuch sehr gut gefallen hat, würde ich als Insel-Besucher der Brennerei eher eine niedrige Priorität einräumen. Außer natürlich Du bist ein großer Fan der Marke und möchtest zielgerichtet, diese Brennerei besichtigen. Von meiner Seite aus alles Jammern auf sehr hohem Niveau! Einen Besuch ist die Destille für sich allein genommen auf jeden Fall Wert, da wir uns aber auf einer Insel befinden, auf der man in der Regel mit seiner Urlaubszeit knapp haushalten muss, würde ich die anderen Whisky Tempel von Islay zuerst empfehlen. Dies ist weniger dem niedrigen Standard von Caol Ila geschuldet, als dem extrem hohen Standard der anderen Islay-Brennereien, die aus meiner Besucher-Sicht nach wie vor zu den besten Schottlands zählen!
Wenn Du einen Reisetipp möchtest, würde ich Dir folgende Brennerei-Besuche ans Herz legen. Solltest Du alle acht Brennereien besuche, würde ich eine grobe Reihenfolge vorschlagen, damit Du Dich zu den Sahnestücken vorarbeiten kannst: Coal Ila, Lagavulin, Bunnahabain, Bowmore, Bruichladdich, Ardbeg, Kilchoman, Laphroaig. Hast Du nur Zeit für wenige oder gar nur eine: Wähle deinen Liebling!
Zum Abschluss mein ultimativer Experten-Super-Gehimtipp: Einfach wiederkommen!