
Moin Whisky-Fans! Mein Name ist Malty MacFly. Mein Freund Leon von den Malt Mariners hat mich gebeten, Euch ins Jahr 2018 zurück bringen. Im Mai 2018 auf seinen Reisen durch Schottland besuchte er die neue Lindores Abbey Distillery in Fife. Er möchte Euch auf die Tour mitnehmen! Glücklicherweise hat mein Freund Professor Christopher MacLeod eine Zeitmaschine entwickelt. Steigt also mit mir in den Lindorean. Keine Angst, es kann im Grunde nichts schief gehen! Richtig MacLeod? „Whaha? Och yer bum’s oot the windae yer wee bawbag! Are ye bloody steamin? Tha middin of a car couldnae hit water if it fell oot of a boot!“…
Äääähm. Das heißt so viel wie „Ja sicher alles in bester Ordnung!“… glaube ich. Alles klar, schnallt Euch an der Reflux-Kondensator läuft schon heiß! ZWWWWWWUUUUSCH. Hui! Was für ein Ritt. Hm. War hier eben nicht noch ein Tesco? Sieht irgendwie nicht aus wie das Jahr 2018. GREAT SCOTCH! Wir sind im Jahr 1494 gelandet!!! Ich hoffe Ihr habt die nächsten 525 Jahre nichts vor…


Danke Malty MacFly, ich übernehme ab hier. Bitte entschuldigt diesen Ausrutscher von meinem zeitreisenden Kollegen. Nun, da wir schonmal hier sind, im Kingdom of Fife im Jahre 1494 kann ich Euch auch gleich den Grund meiner Reise zeigen. Eben hier wurde nämlich Geschichte geschrieben. Whisky-Geschichte. Würden wir auf den Schreck der Zeitreise nun in der nächsten Schankstube nach einem Whisky fragen, würden wir womöglich leer ausgehen. Wir müssten wohl des Gälischen mächtig sein und nach „Uschke ba“ (geschrieben „uisge beatha“) fragen. Später sollte sich nebenbei bemerkt aus dem Wort „uisge“ das heutige Wort „Whisky“ entwickeln. Vermutlich würde man uns ins nächste Kloster schicken, dort sollten wir nach „Aqua Vitae“ fragen. „Wasser des Lebens“ wie der lateinische Begriff übersetzt bedeutet. Wenngleich mit unserem geliebten schottischen Gold das Aqua Vitae des 15. Jahrhunderts vermutlich wenig gemein hatte, so war es doch ein wichtiger Schritt auf der Whisky-Reise. Vermutlich wurde das reine Destillat mit Kräutern und Honig versetzt, um genießbar zu sein. Dem heutigen skandinavischen Aquavit nicht unähnlich. Richtig! Der Name ist kein Zufall! Denken wir noch einen Schritt weiter heißt auch das französische „Eau de Vie“ nicht anderes als „Wasser des Lebens“. Aber zurück zum Aquavitae, schließlich wollt ihr nach Hause. Dass nämlich bereits 1494 größere Mengen dieses Gebräus hergestellt wurden belegen die „Exchequer Rolls“ dieses Jahres. Dieses Dokument des Schatzmeisters, belegen einen bedeutenden Auftrag des Königs James IV. Das Schriftstück besagt, der Mönch Friar John Cor solle mit „acht Bollen Malz“ beliefert werden zum Zwecke der Produktion von „Aqua Vitae“. Dass John Cor schon im 15. Jahrhundert Whisky herzustellen vermochte, wie wir ihn heute kennen ist sehr unwahrscheinlich. Die Mönche der damaligen Zeit setzten das raue Getreide-Destillat vermutlich zu medizinischen Zwecken ein, doch der Genussfaktor war auch damals sicherlich den meisten „Patienten“ bewusst. Wann genau sich die Kunst der Destillation über Schottland und Europa ausbreitete ist heute nicht eindeutig geklärt, doch das 5. Jahrhundert gilt als heißer Kandidat. Warum ist also nun die Erwähnung der Exchequer Rolls so wichtig? Nun sie weist erstmals die Destillation von Gerstenmalz in größeren Mengen nach, denn die „acht Bollen Malz“ wären heute in etwa genug um 400 Flaschen Aqua Vitae herzustellen. Für die damalige Zeit eine nicht unbeträchtliche Menge und reichlich „Medizin“ für den König nicht wahr?

So weit so gut. History was made. Der Ort und der Zeitpunkt sind nun also in der Whisky-Geschichte in Stein gemeißelt. Als ich also Wind davon bekam, dass an dem historisch so bedeutsamen Ort eine neue Whisky-Brennerei entstehen sollte, war ich ganz Ohr. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, brauchte es nicht viel Überwindung für mich, die Brennerei letztes Jahr zu besichtigen. Vor meinem Besuch war ich neugierig und hoffnungsvoll nervös. Die Geschichte hinter Lindores Abbey ist zweifelsohne eine mit reichlich Gewicht. Doch eine gute Geschichte macht noch lange keinen guten Whisky. Ich wollte mir ein erstes Bild machen, ob Lindores Abbey sich auf der geschichtsträchtigen Location ausruhen würde, oder ob hier mehr entsteht als ein historisches „Whisky-Disneyland“. Stellen wir uns also nun der Gegenwart und damit der Realität:
Hintergrund: Schokolade und andere Hindernisse
Das Kloster Lindores Abbey wurde im 12. Jahrhundert vom Earl of Huntington gegründet. Die Überreste und Ruinen des Tironenser Klosters sind noch heute zu sehen. 1912 wurde das Gelände und die angrenzende Farm an den Landwirt John Howison verkauft. Der Besitz ging über die Generationen bis zu seinem Ur-Enkel Drew Mackenzie Smith und seiner Frau Helen. Die beiden wollten schon lange eine Brennerei auf dem Gelände errichten und dem Titel des Ortes als „spirituelle Heimat des Scotch Whiskys“ Rechnung tragen. Keine kleine Aufgabe. 2013 schließlich konnte er mit drei europäischen Investoren 10 Millionen Pfund akquirieren. Beim Bau der Brennerei stieß man auf Grundmauern einer alten Molkerei, wohl Teil des Klosters. Die archäologischen Ausgrabungen verzögerten den Bau der Brennerei bis zum Juli 2016. Im Oktober 2017 konnte die Brennerei samt Visitor Center schließlich öffnen. Kurios: Der Schokoladen Hersteller Lindt verwickelte die Brennerei in einen lächerlichen Rechtsstreit um die Namensrechte. Lindt sah ihre Eigenmarke „Lindor“ gefährdet und bedrohte dadurch das Gelingen des Projekts. Glücklicherweise konnte Mackenzie Smith schließlich eine denkbar simple Einigung erreichen. Daher wird es aber niemals eine eigene Schokolade von Lindores Abbey geben. Die Geschichte zeigt aber eindrucksvoll auf wie vielen teils absurden Wegen ein spannendes Projekt wie dieses scheitern kann.

Besichtigung der Brennerei:

Wie meist auf meinen Roadtrips begleitete Schottland meine Reise zur Lindores Abbey Distillery mit strahlendem Sonnenschein. Gleich als ich auf den Parkplatz der Brennerei einbog, wurde ich neugierig. Das Gebäude ist eine interessante Collage von neuen und alten Bestandteilen. Von der einen Seite wirkt Lindores Abbey eher verhalten. Von der anderen Seite (der Straßenseite) macht die Brennerei allerdings mächtig was her. Ein schöner Innenhof mit Steinmauern lassen den Eindruck eines Kloster-Innenhofs entstehen. Die hohen Glasfenster den Still Houses erinnern an eine kleine Kirche. Ja. Das Muster ist deutlich und stimmig. Ich betrete das Visitor Center und mein Eindruck wird zementiert. Diese Brennerei ist als Pilgerstätte konzipiert. Der Shop erstreckt sich in eine kleine Halle, die einem Kirchenschiff ähnelt. Kein Zufall. Wenngleich hier alles neu und modern ist, ist doch deutlich der Bezug zur Geschichte zu spüren.

Wir beginnen unsere Tour. Ich löse mich mehr und mehr davon, die Touren an Hand der Tour Guides zu beurteilen, denn wenngleich diese maßgeblichen Einfluss auf das Wohlbefinden der Gäste haben, so sind sie doch sehr wechselhaft. Eine Momentaufnahme ist außerdem selten hilfreich für Euch als Leser, gibt sie doch in der Regel keine verlässlichen Anhaltspunkte auf das eigene Erlebnis vor Ort. Mein Tour Guide gefiel mir nicht sonderlich gut, da er die Tour relativ monoton und „vom Skript“ führte. Ich selbst habe zwar nur 6 Monate als Tour Guide gearbeitet, kann mich also nicht gut in die jahrelange Routine einfühlen, die in diesem Job entstehen kann, jedoch ist Lindores auch keine sehr alte Brennerei. Etwas mehr Elan wäre daher bei der Führung noch zu erwarten. Viel wichtiger und interessanter finde ich den Aufbau der Führung und die Gestaltung der Gebäude. Denn boy oh boy bekommt man hier etwas zu sehen. Selbst ohne Tour Guide wäre eine Besichtigung der Brennerei jede Reise wert.

Das Still House ist wunderbar hell und offen gehalten, die großen Fenster lassen viel Licht herein. Nähert man sich den Brennblasen, so blickt man direkt auf die alten Kloster Ruinen des echten Lindores Abbey auf der anderen Straßenseite! Dieser Anblick von neuen glänzenden Kupferbrennblasen und alten Ruinen, lassen jedes Whisky-Liebhaber-Herz aufblühen. Als Distillery Manager konnte Gary Haggart gewonnen werden, der einst für die Produktion des klassischen Speyside Single Malts Cragganmore verantwortlich war. Die wunderschönen Pot Stills stammen, wie sollte es anders sein, aus der Traditions-Kupferschmiede Forsyths.

Die Tour führt durch eine kleine Bar (die ebenfalls einen schönen Ausblick auf den Hof hat) weiter ins Lagerhaus. Anders als viele der anderen neuen, jungen Brennereien (wie Torabhaig, Borders und Clydeside) führt Lindores Abbey die Besucher in ihre Lagerhäuser. Diese sind natürlich sehr neu und modern, aber dennoch halten Sie den bekannten Angels Share (Engelsanteil) für unsere Nasen bereit. Im Zuge des fast religiösen Themas der Brennerei, muss ich beim Gedanken an das Wort Engelsanteil schmunzeln. Die Brennerei experimentiert mit unterschiedlichen Lagerbedingungen, ein Vermächtnis des 2017 verstorbenen Whisky-Experten Jim Swan (R.I.P.). Dieser arbeitete eng mit dem jungen Projekt zusammen und forschte mit ihnen an neuen Methoden zur Lagerung von Whisky, unter anderem der Lagerung in Temperatur regulierten Lagerhäusern. Rund 25 % der Produktion von Lindores Abbey reift in diesen beheizten Lagerhäusern. Wir dürfen auf die Ergebnisse in ein paar Jahren gespannt sein. Lindores Abbey hat also weit mehr also nur eine Sehenswürdigkeit zu bieten. Auch aus Whisky-Sicht ist die Brennerei äußerst spannend!

Die Tour endet in einem kleinen Raum der wie ein Alchemielabor aussieht und wohl auch als solches genutzt wird. Nun erwartet uns wieder die altbekannte Frage: „Was bekommen wir zu trinken“. Schließlich hat Lindores noch keinen fertigen Whisky. Die Lösung von Lindores ist aus meiner Sicht eine gelungene und genau nach meinem Geschmack. Wir bekommen einen Cragganmore 12 Jahre als „Beispiel-Whisky“ eingeschenkt, dazu den New Make Spirit der Brennerei (hervorragend!!). Lindores plant einen leicht getorften Whisky zu produzieren, mit einem gewissen Rauch-Anteil also. Ein ganz besonderes Gimmick ist aber das derzeitige Eigenprodukt der Brennerei. Ganz im Zuge der Whisky-Geschichte stellt Lindores Abbey nämlich, nicht wie die meisten Brennereien Gin oder Wodka her, sondern Aqua Vitae. Die Spirituose ist aus dem klaren Malz Destillat mit Kräutern und Honig versetzt.

Na, wer hat aufgepasst? Richtig, genau dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach die „Urform“ des Whiskys vergangener Jahrhunderte. Das Gebräu schmeckt obendrein und ist somit für ein geschichtsorientiertes Whisky Tasting der perfekte Einstieg, um die Geschichte des Scotch Whisky zu erläutern. Mein Whisky-Geek und Whisky-Tasting-Veranstalter-Herz schlägt höher. Nach der Tour browse ich noch etwas im Shop (leider muss ich fliegen, sonst hätte es eine Flasche des Aqua Vitae mit nach hause geschafft). Ich runde meinen Besuch mit einem Kaffee im kleinen Cafe der Brennerei ab und spaziere anschließend noch etwas über das Geländer der alten Kloster-Ruine. Genüsslich sauge ich die Ruhe und Geschichte des Ortes in mir auf, bevor ich mich bestens gelaunt wieder auf den Weg zu meinem knuffigen BnB in der Crail Area am Meer mache.
Fazit:
Lindores Abbey ist aus meiner Sicht die perfekt gelungene Kombination von Alt und Neu, von Geschichte und Moderne, von Story-Telling und echtem Handwerk. Bei all den neuen Projekten und Whisky-Brennereien die derzeit aus dem Boden schießen, hat für mich Lindores Abbey im Design der Brennerei den idealen Mittelweg zwischen schicken neumodischen Elementen und bodenständiger Authentizität gefunden. Auf mich wirkt die Brennerei nicht wie ein Malt Disney Land, das sich auf seinem Namen und der Historie des Ortes ausruht. Lindores möchte guten Whisky machen. Ansonsten hätte die Brennerei nicht so viel Zeit und Kapital ins Knowhow und den experimentellen Ansatz gesteckt. Ich kann einen Besuch der Brennerei nur wärmstens empfehlen und rate jedem Whisky-Fan Augen und Ohren nach den ersten Releases von Lindores Abbey Single Malt offen zu halten.
Slainte!
Euer Leon
